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Manchmal passiert alles auf einmal. Uns direkt gegenüber wird das kleine Haus aufgestockt, in dem für viele Jahrzehnte ein älteres Ehepaar wohnte. Als die alte Dame lange nach ihrem Ehemann dann vor drei Jahren verstarb, vermachte sie das Häuschen ihrer polnischen Pflegerin, die sie lange wohl sehr gut umsorgt hatte. Verkauft wurde es schließlich an eine junge Familie, die einen wesentlich größeren Platzbedarf hat. Nun wird aufgestockt, und ich darf offiziell fotografieren. Es passiert da drüben viel in Eigenarbeit, aber nun musste doch ein Kran her. Als ich heute Mittag vom Einkaufen kam, konnte ich zunächst mal nicht in unser Sträßchen einbiegen. Ein riesiger – wie nennt man die Dinger? – Tieflader mit Kran stand im Heimchenweg und kam nicht um die Ecke. Dort stand nämlich das Auto unseres Neffen im Weg. Ganz korrekt, denn die Straße war erst 30 Meter weiter abgesperrt worden. Der Neffe war natürlich nicht zu Hause. Immerhin wusste der Nachbar, wem das Auto gehört und hat unseren jüngeren Sohn angetroffen, der nun versuchte, meinen Neffen telefonisch zu erreichen. Ganz ehrlich – ich wusste nicht, dass wir eine Handynummer von ihm abgespeichert hatten. Normalerweise kommunizieren wir persönlich oder per E-Mail. Na, lange Rede, kurzer Sinn – wir konnten tatsächlich den Autoschlüssel flott machen und das Problem war schließlich behoben.
So ein Kranausleger dreht sich mit dem Wind. Das sieht im ersten Moment ganz schön bedrohlich aus, wenn der plötzlich über unser Haus schwenkt. Aber man gewöhnt sich daran. – Da werden Erinnerungen an unseren eigenen Hausbau vor inzwischen mehr als fünfunddreißig Jahren wach. Unser Haus ist ja auch ein Fertighaus, und damals war das noch etwas Besonderes. Die halbe Nachbarschaft stand Spalier und hat dem Aufbau zugeschaut.

Parallel zu den Kran-Aktivitäten wurde auf der anderen Seite unseres Hauses der Urwald mal wieder in Angriff genommen. Ich habe schon von dem Garten erzählt, in dem elf Monate im Jahr nichts passiert, dann mal irgendwas gemacht wird, weil die Besitzer für ein paar Tage kommen, und dann versinkt er wieder im Dornröschenschlaf. Heute war’s mal wieder soweit. Zwei kräftige Männer sind dem Wildwuchs zu Leibe gerückt. Na, ich bin mal gespannt, wie es diesmal weitergeht.

„Was’n jetzt kaputt?“, mag sich auch das Rotschwänzchen denken. Soviel Kahlschlag im Vogelparadies!

Während dieser ganzen Aktivitäten sind unsere jungen Kohlmeisen abgehauen. Die hatten wohl die Nase voll von dem Lärm. Einer der Nestlinge war aber noch ganz und gar nicht soweit. Ich sah ihn am Teich sitzen und nach den Eltern rufen. Er wurde auch noch kurz gefüttert, aber ich dachte mir schon, dass er keine große Überlebenschance haben würde. Während ich mich um das Mittagessen kümmerte, verschwand er dann. Er ist ertrunken. Ich habe ihn später aus dem Teich gefischt und beerdigt.

Armer Kerl! Aber so gerupft wie er aussah, war er wohl schon im Nest seinen Geschwistern unterlegen. Sein Kopf war hinten fast kahl. Die Eltern kümmern sich aber trotzdem immer rührend um diese Winzlinge. Ich habe es schon mal erlebt, dass sich so ein Nestling in eine kleine Höhle am Teich gerettet hat. Jeanie und Garfield habe ich damals eingesperrt. Die Eltern sind die kleine Höhle ständig angeflogen und haben das Kleine gefüttert. Das sah aber insgesamt besser aus als dieses hier heute. Ich denke, dass die kleine Meise damals tatsächlich überlebt hat. Sicher bin ich mir allerdings nicht, bei den vielen Katzen, die durch unseren Garten streifen. Aber so ist die Natur. Da kann man nichts machen.

Unser Wetter ist heute richtig angenehm. Es ist zwar wieder um die 30°C, aber es weht ständig ein kühlender Wind. Da lässt es sich aushalten. Schlecht geschlafen habe ich letzte Nacht trotzdem. Das Thermometer zeigte noch um Mitternacht über 20°C an.