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Schon lange hat mich keine Dokumentation mehr so begeistert wie Samstagabend auf arte die drei aufeinanderfolgenden Sendungen über das Schreiben und Denken. Ich kenne ägyptische Hieroglyphen aus eigener Anschauung, und wer hätte noch nicht etwas über den Stein von Rosette gehört? Keilschriften kenne ich aus Museen und … egal. Aber ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie sehr Schriften auch vom Material beeinflusst sind, auf dem und mit dem geschrieben wird. Und wie das Ganze die Entwicklung der Kulturen zwischen Altertum und Moderne geprägt hat. Bis in die Politik hinein. Gutenberg und die Kunst des Buchdrucks ist da allenfalls der uns bekannteste Teil davon. Wobei die Chinesen schon vor dem Mann aus Mainz Bücher druckten. Nur nicht so effektiv, was an den chinesischen Schriftzeichen liegt.

Lange Rede kurzer Sinn: Angucken! In der arte Mediathek (https://www.arte.tv/de/videos/RC-020387/vom-schreiben-und-denken-die-saga-der-schrift/) noch bis Januar 2021 verfügbar. Es lohnt sich. Ich werde in Zukunft jedem Stück Papier mit dem ihm gebührenden Respekt begegnen 😍. 

Die Geschichte der Menschheit wurde stark von den Wechselbeziehungen zwischen Europa, Asien und der arabisch-islamischen Welt geprägt. Die Schriftsysteme dieser drei großen Kulturräume spiegeln ihre Gegensätze wider.

Wusstet ihr, dass es Völker gibt, die in den vergangenen einhundert Jahren mehrfach ihr Alphabet wechseln mussten? Selbst Russland bekam von Lenin das lateinische Alphabet aufs Auge gedrückt, bevor Stalin alles wieder rückgängig gemacht hat. Habe ich wohl falsch verstanden, obwohl es angedacht war. Es war sogar bereits Peter der Große gewesen, der schon die Idee hatte, das kyrillische Alphabet dem lateinischen anzupassen. Er hat aber nur geringfügige Veränderungen eingeführt. Lenin sympathisierte mit dem Gedanken der Lateinsierung, aber setzte das nur im Bereich nationaler Minderheiten der neugeschaffenen UdSSR durch. Auch den im Westen so beliebten Kemal Atatürk sehe ich jetzt etwas differenzierter. Er hat die osmanische Gesellschaft derart radikal verändert, dass ein Herr Erdogan möglicherweise als logische Konsequenz auf der Bildfläche erscheinen musste. Es scheint, als ob der Mensch einfach so tickt. Jede radikale Veränderung lässt anschließend das Pendel in der Gegenrichtung genauso radikal ausschlagen.