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Als ich am Mittwoch nach meinem Spaziergang rund um den Rettershof auf dem Weg zum Parkplatz war, hatte ich plötzlich noch keine Lust, schon nach Hause zu fahren. Also habe ich einen Waldweg betreten, in der Hoffnung, vielleicht noch etwas Interessantes fotografieren zu können. Gleich zu Beginn fiel mir ein Stapel sehr altes Holz auf, etwas, das doch sehr ungewöhnlich ist. Im Taunus sieht man viele Holzstapel, aber das ist meistens frisch geschlagenes Holz, das darauf wartet, abtransportiert zu werden. Dieses hier sah aus, als hätte sich schon seit Jahrzehnten niemand mehr dafür interessiert.

Auch der Waldweg selbst sah wenig begangen aus. Es war ganz offensichtlich kein normaler Wanderweg. Teilweise lag etwas alter Schrott herum. Der Weg wurde immer schmaler und ich wollte schon umkehren, als ich plötzlich bergauf ein altes Tor sehen konnte. Das war eigenartig, denn auf keinem Plan, den ich bisher von der Umgebung gesehen hatte, war ein weiteres Gebäude verzeichnet. Nun musste ich natürlich weitergehen und stand plötzlich vor alten Mauern, diesem alten Tor und einem Steinhaufen auf der rechten Seite – dahinter Wald. Aber es wirkte, als sei das Ganze einmal ein Grundstück gewesen.


Wer mich kennt, kann sich denken, dass ich einfach weitergehen musste. Es gab auch nirgends ein Betreten-verboten-Schild oder etwas dergleichen. Der Weg ging weiter sacht bergauf und nie verließ mich das Gefühl, dass das nicht einfach nur Wald war. Es musste sich um ein Gelände handeln, das irgendwann einmal zum Kloster oder Gut Rettershof gehörte. Dann sah ich einen kleinen Trampelpfad, der sich durch Büsche wand, die ganz sicher nicht in diesen Wald gehörten. Tja, und plötzlich stand ich vor einem Hügel mit einem großen Kreuz, einer einfachen alten Bank und entdeckte etwas, das nach Grabplatte aussah. Ein geradezu verwunschen wirkender Ort.


Um es kurz zu machen, ich hatte die private Begräbnisstätte der Familie Richter-Rettershof gefunden. Das wusste ich aber am Mittwoch noch nicht, denn sie wird nirgends erwähnt. Deshalb mache ich auch keine weiteren Ortsangaben. Ich habe auch nicht an echte Gräber gedacht, eher an eine Gedenkstätte, denn es waren nur große Gesteinsbrocken zu sehen, nicht bearbeitet, nicht poliert, denen die Namen in Bronzebuchstaben aufgesetzt waren. Erst sah ich nur einen dieser Steine, dann allmählich auch die anderen. Einer der Namen passte nicht zu den anderen: Frieda Pathe. Jetzt weiß ich, dass es das Grab einer Kinderfrau ist. Ich gehe davon aus, dass Christoph von Richter-Rettershof ein Sohn von Hertha und Felix war und 1944 mit gerade mal vierundzwanzig Jahren noch im Zweiten Weltkrieg umgekommen ist. Hertha heiratete 1959, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes Felix, den damals bereits 71-jährigen Edwin Graf von Rothkirch und Trach.(Link zu Wikipedia) Wir haben es hier mit einer insgesamt recht illustren Gesellschaft zu tun. Hertha von Richter-Rettershof war eine geborene vom Rath, deren Großvater mütterlicherseits, Carl Friedrich Wilhelm Meister, einer der Mitbegründer der Farbwerke Hoechst, später Hoechst AG, war. Ihre Schwester Hanna war die Frau des Dirigenten und Kunstkritikers Paul Bekker sowie die Begründerin des Frankfurter Kunstkabinetts; eine weitere Schwester, Eugenie vom Rath, war die Mutter des CDU-Politikers Walther Leisler Kiep

Im Internet findet man so gut wie nichts über diesen kleinen Friedhof. Und offensichtlich kennt ihn auch kaum jemand. Einerseits ist das sicher gut so, andererseits doch seltsam. Die Familie der Hertha von Richter-Rettershof waren die letzten Eigentümer, bevor die Stadt Kelkheim das Anwesen übernahm.

Durch den Wald zurück.

Es gibt seit kurzem einen recht schönen Film zum Kloster Retters, von dem ja nichts mehr erhalten ist. Wer sich dafür interessiert und sich nicht an liturgischen Gesängen stört – mir gingen sie nach einer Weile etwas auf die Nerven – sollte sich mal das Video ansehen. Die meisten Bilder und Beispiele wurden von noch existierenden Klöstern entlehnt, die so aufgebaut sind, wie das Kloster Retters vielleicht einmal ausgesehen hat.

 

Kommt gut ins Wochenende. Wer Regen braucht, dem wünsche ich Regen, aber natürlich ohne Unwetter. Bei uns hat es schon wieder etwas getröpfelt, aber das war nur wenig. Dafür ist es leider wieder schwül geworden.

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